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Negative Gefühle dürfen SEIN!

Aktualisiert: 13. Jan.

Eines der häufigsten und gleichzeitig sensibelsten Themen, die in meinen Beratungen aufkommen, ist der Umgang mit Kindertränen. Und ich verstehe das vollkommen – ein weinendes Kind berührt uns tief und kann uns manchmal fast überwältigen. Es ist, als ob das Weinen uns durch Mark und Bein geht – und genau das ist von der Natur auch so gewollt. 🙂




Das Weinen deines Babys ist seine erste Sprache. Es ist der Weg, wie es dir zeigt, dass es etwas braucht, sich unwohl fühlt oder mit einer Situation überfordert ist. Doch in unserer Gesellschaft wird Weinen oft ausschließlich als negativ wahrgenommen – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Kein Wunder, dass viele Eltern beim Thema „Kindertränen“ unsicher sind und sich hilflos fühlen.


In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, warum es so wichtig ist, negative Gefühle zuzulassen, wie du dein Kind in solchen Momenten liebevoll begleiten kannst und warum diese Phasen sogar eine wertvolle Chance für euch beide darstellen.


👉Warum es so wichtig ist, negative Gefühle zuzulassen


Vorab: Wenn unsere Mäuse weinen oder Kummer zeigen, sollten wir uns natürlich zunächst vergewissern, dass alle physiologischen und psychologischen Grundbedürfnisse erfüllt sind. Denn klar ist: Babys weinen oft, weil sie uns mitteilen wollen, dass ihnen etwas fehlt - sei es Hunger, Durst, eine volle Windel oder das Bedürfnis nach Nähe.


Was aber, wenn diese Bedürfnisse scheinbar gestillt sind und das Baby trotzdem schreit? 🤔


Hier beginnt die Herausforderung für uns Eltern, denn nicht jedes Schreien lässt sich direkt „abstellen“. Manche Tränen entstehen, weil Babys überfordert, müde oder einfach frustriert sind. Und manchmal können wir als Eltern auch nicht unbedingt den Finger drauflegen...


Aber gerade in diesen Momenten ist es wichtig, negative Gefühle nicht sofort abblocken zu wollen, sondern sie zuzulassen und liebevoll zu begleiten. Kinder, denen wir nicht erlauben, ihre negativen Gefühle auszudrücken, werden zu Erwachsenen, die...


👉 glauben, dass ihre Gefühle nicht zählen & sich nicht trauen, sie auszudrücken.


👉 vielleicht denken, dass der Ausdruck von Gefühlen als Schwäche ausgelegt werden könnte.


👉 haben gelernt, ihre negativen Gefühle zu ignorieren & tun vielleicht so, als würden sie nicht existieren.


👉 können es kaum ertragen, wenn andere im Raum negative Gefühle haben.


👉 sind oft von ihren eigenen negativen Gefühlen überwältigt.


Frau ist traurig


Ein paar Gedanken...


Das Ausleben negativer Gefühle galt lange Zeit als Schwäche (Stichworte: schwarze Pädagogik, NS-Zeit etc.). Viele von uns Eltern sind auch ein Stück weit unter dem Einfluss dieser pädagogischen Sichtweise aufgewachsen. Ich denke, dass dies mit ein Grund dafür ist, dass es für viele Eltern emotional so herausfordernd ist, das Weinen & Ausleben negativer Gefühle ruhig & sicher zu begleiten oder gar “auszuhalten”.


Viele von uns haben vielleicht einfach nicht gelernt, genauer hinzuhören, wenn negative Emotionen in uns hochkommen & vor allem: gelernt, mit ihnen umzugehen & sie als das anzuerkennen, was sie sind: Ein wesentlicher Teil unseres Gefühlsspektrums, das zum Menschsein dazu gehört & uns auch viel darüber verrät, wer WIR sind, WAS uns ausmacht & WAS uns wichtig ist. Wie auch, wenn viele von uns ständig beim kleinsten Geräusch gehört haben.


...hör auf zu weinen! 💔

...sei nicht so laut! 💔

...hör auf dich zu beschweren! 💔

...Du bist heute so ungezogen! 💔

...Wenn du nicht..., dann...! 💔


Kommt dir das bekannt vor?


Und auch wenn unsere Pädagogik heute glücklicherweise ganz anders aussieht & immer mehr Wert auf die Beachtung der Bedürfnisse & Begleitung der Gefühle gelegt wird, erlebe ich in meiner Praxis & in meinem Alltag als Mutter sehr oft, wie stark diese damalige Pädagogik, in der jegliche Art von negativen Emotionen meist runtergeschluckt werden sollten, in unserer Elterngeneration nachwirkt...


“Ich kann es kaum aushalten, wenn mein Baby so dolle weint!”


Das sagt ihr mir oft. Und ich verstehe das! Zunächst einmal: In gewisser Weise soll es auch so sein! Das Weinen unserer Kinder soll uns tief berühren & mobilisieren, immer dafür zu sorgen, dass es unseren Mäusen an nichts fehlt!


Es ist von der Natur so gewollt, absolut normal & sinnvoll, dass wir es emotional so herausfordernd finden. Ich glaube aber auch, dass dieses Unbehagen damit zu tun hat, dass wir manchmal - während wir unser kleines hilfloses Wesen bitterlich weinend in den Armen halten - an unser eigenes kleines “Ich” erinnert werden.


An unser Kindheits-Ich, das auch einmal bitterlich geweint hat & dem man nicht gezeigt hat, wie man mit diesem Gefühlssturm umgeht. Vielleicht hat sich dieses Kindheits-Ich damals geschworen, diese Gefühle ganz weit weg einzuschließen, weil es wusste: Diese Gefühle sind nicht erwünscht! Nicht, weil Mama & Papa keine liebevollen Eltern waren oder es böse meinten, nein! Sondern weil sie es selbst nicht vorgelebt bekommen haben. Du hast jetzt die Wahl, es anders zu machen!



Du hast die Chance, es anders zu machen!


Lebe deinen Kindern vor, dass auch negative Gefühle ihre Berechtigung haben! Erkenne sie an, erlaube ihnen, sie auszudrücken & lass die Tränen auch mal fließen, ohne sie hektisch wegzuwischen. Stattdessen kannst du versuchen, ruhiger zu werden.


Atme tief in den Bauch. Nimm die Geschwindigkeit aus der Situation & richte den Scheinwerfer auf die Situation. Und das gilt für jede Situation mit unseren Kindern! Sei es bei der Einschlafbegleitung mit einem Baby, das gerade Tränen vergießt, obwohl alle Bedürfnisse scheinbar erfüllt sind (Hunger, Durst, Körperkontakt etc.) oder mit einem Kleinkind, das gerade Rotz & Wasser im Supermarkt weint.


Natürlich ist das nicht in jeder Situation möglich, das ist klar. Manchmal ist der Alltag hektisch & das Nachdenken über die Situation unmöglich. Ich bin Mama, ich weiß das. 😉 Mir geht es eher darum, eine Haltung zu entwickeln, dass wir denken, wann immer es geht:


“Okay, Mäuschen, gib dem Ganzen Raum! Ich bin für dich da - mit all deinen Gefühlen! Den schönen und den hässlichen, den gemeinen, den dunklen und den schwer erträglichen. Ich halte dich. Schau genau hin, was in dir tobt”


Du kannst deiner Maus auch gerne helfen, ihre eigenen Gefühle zu verstehen, indem du versuchst, sie für sie zu formulieren. Das gilt auch für Babys, die noch nicht sprechen können! Babys verstehen die Bedeutung von Wörtern oft viel früher, als wir denken.


Für manche Kinder ist hier Körperkontakt hilfreich, andere brauchen in der einen oder anderen Situation einfach etwas Abstand. Kleinkinder z.B. bauen hier und da vorübergehend körperliche Distanz auf, besonders wenn sie wütend sind. Nicht selten erleben wir dann, dass sie sich abwenden & in eine Ecke zurückziehen. Das ist eine ganz normale & gesunde Reaktion deines Kleinkindes. Kennst du das von dir selbst auch, dass du gerne in den Arm genommen wirst, wenn du dich über deinen Partner/deine Partnerin ärgerst? Was kannst du in solchen Situationen tun?


Gib deinem Kind unbedingt den Raum, den es fordert! Und je nach Situation & Alter helfen vielleicht folgende Formulierungen:


“Schatz, ich sehe, dass du gerade sehr wütend bist, weil XY passiert ist. Das kann ich gut verstehen! Du hast Zeit, ich bleibe hier sitzen & wenn Du möchtest, kannst Du gerne zu mir kommen.”


“Wie kann ich dir helfen?”


“Gibt es etwas, was Dir jetzt gut tun würde?”


Wenn das Kind alt genug ist, frage auch gerne genauer nach, was emotional los ist & warum.


Bedenke aber: In Momenten starker Emotionen ist bei einem Kleinkind das limbische System so aktiv, dass der präfrontale Cortex, der für Sprache und Verstand zuständig ist, kaum arbeiten kann. Erklärungen können dann in diesem Moment vom Kind nicht verarbeitet werden und sind vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoller. In solchen Situationen kann es helfen, einfach da zu sein, liebevolle Gesten zu zeigen, zu summen, zu singen... Probiere hier ruhig verschiedene Dinge aus!


Wichtig ist, dass dein Kind wahrnimmt:


Mama/Papa/Oma/Opa/Erzieherin ist da & es ist ok, dass ich meine Gefühle ausdrücke und spüre.


Und weißt du, was das Coolste am Umgang mit negativen Gefühlen ist? Indem wir unsere Kinder dabei unterstützen, ihre Aufmerksamkeit nach innen zu richten & auf all die negativen Emotionen, sie zu benennen, ihnen respektvoll zu begegnen & sie gemeinsam zu erleben, lernen WIR auch noch einmal ganz neu, mit unseren eigenen Gefühlsdämonen umzugehen.


Was für eine großartige Chance! Für uns, unsere Kinder & Kindeskinder, oder? 🙂





 
 
 

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